Wissenschaftliche Präsentation

Die Ausstellung entspringt dem Wunsch, einen wichtigen flämischen Künstler wiederzuentdecken, der einst grossen Ruhm genoss und unverständlicherweise von der Kritik vergessen worden ist, nicht zuletzt auch auf Grund der schweren Schäden die ein großer Teil seines malerischen Werks in der Münchener Residenz während des letzten Krieges erlitten hat. Peter Candid war zwischen Florenz, Volterra und München tätig, wo er sich eine Position höchsten Ranges unter den im Dienst der bayerischen Herzöge stehenden Künstlern erobern konnte.

Pieter de Witte, der Name wurde dann italianisiert in Pietro Candido (auf deutsch Peter Candid), wird um 1548 in Brügge geboren. Mit zehn Jahren zieht er mit der Familie nach Florenz, wohin der Vater Peter Elias, seines Zeichens Teppichweber (oder "arazziere minuto") berufen worden war, um in der mediceischen Gobelinmanufaktur mit dem flämischen Meister Jan Rost zusammenzuarbeiten. In Florenz verbringt Candid eine lange und wichtige Ausbildungszeit, von der man aber wenig weiss. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass er die Werkstatt des Bildhauers Giambologna frequentiert, der seinen Schützling später dem bayerischen Herzog empfehlen wird. In diesen Jahren sind in Florenz zwei weitere Künstler dokumentiert, wahrscheinlich Brüder des Malers: Elias Peter de Witte (oder Candid), Autor einer signierten und auf 1573 datierten Bronzefigur, die Borea darstellt und für das kleine Arbeitszimmer des Francesco de'Medici im Palazzo Vecchio bestimmt war, und Kornelius de Witte (oder Candid), Wache in der mediceischen Garde und geschätzter Landschaftsmaler.

Seit 1576 Mitglied der Accademie del Disegno in Florenz, hält sich Candid für einige Zeit in Volterra auf, wo er drei grossformatige Altarbilder schafft: eines für die Kathedrale (Die hll.Stadtpatrone präsentieren der Madonna di Stadt Volterra, 1578) und zwei weitere in den achtziger Jahren, für die Badia di San Giusto e Clemente (Anbetung der Hirten, 1580), und Beweinung Christi, 1585, ein Auftrag einheimischer Adeliger.

Zurück von einem Romaufenthalt, erhält er 1585 den Titel "Accademico" der Accademia delle Arti del Disegno und realisiert im gleichen Jahr das Lunettenfresko mit der Madonna mit Kind und den hll. Nikolaus und Hieronymus über dem Eingang des Oratoriums San Niccolò del Ceppo in Florenz. Ein Jahr später malt er das Bildnis des Giuliano de'Medici Herzog von Nemours, das zur Erlauchten Serie der Porträts der berühmten Prinzen gehört, im Auftrag von Grossherzog Francesco de'Medici, um den ersten Korridor der neuen Galerie der Uffizien zu schmücken. Am 26. Juli 1586 befindet sich Candid bereits in München.

In seiner neuen Heimat verbringt der Künstler zweiundvierzig Jahre, anfangs im Dienst Wilhelms V und von 1602-1628 dann im Dienst Maximilians I. Am Wittelsbacher Hof zeigt er all sein Talent als erfahrener Hofmaler auf den verschiedensten Gebieten, von der Wandmalerei bis hin zu den Kartons für Wandteppiche und Skulpturen, vom Bildnis bis hin zu monumentalen Altarbildern in den städtischen Kirchen.

Die Ausstellung gibt daher die Gelegenheit, die wesentlichsten Etappen im Schaffen des Malers zu rekonstruieren und vorzustellen, indem höchst bedeutende und kostbare Werke von grosser Suggestion und Intensität präsentiert werden, die aus Museen ganz Europas und der Münchener Residenz stammen. Es handelt sich also um eine einmalige wissenschaftliche Gelegenheit, die sich auch die modernsten Techniken der Analyse von Kunstwerken zu Nutze macht, gerade um auch die graphische Struktur zu ermitteln, die unter der Farbschicht der grossen volterraner Altarbilder verborgen liegt.

Die Ausstellung präsentiert nicht nur Arbeiten von Peter Candid, sondern auch bedeutende Werke von Künstlern, die zu seiner Zeit gearbeitet und seinen Stil beeinflusst haben. Dem Publikum werden in diesem kulturellen Ereignis Werke der Malerei, Wandteppiche und Zeichnungen vorgestellt, Zeugnisse eines kosmopolitischen und kulturellen Austausches von Kunstwerken in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.